FRAME. Eins

10.12.2021

Ein Gespräch über...
einen Clown.

 

Harald, kannst du uns erklären, wer Doppio Brodo ist?

Also "brodo" bedeutet Brühe oder Brühwürfel auf Italienisch und "doppio brodo" ist dann eben der "doppelte Brühwürfel". So hat ein Schauspielkollege vor vielen Jahren meinen Clownscharakter getauft. Seitdem ist viel passiert.

Der Charakter wurde aus dem Wunsch unseres Internationalen Jugendensembles geboren, ich solle mal etwas Lustiges machen und nicht immer so viel Ernstes. Da war mir klar: Es muss der Clown sein und ich muss ihn selbst spielen und nicht "nur" als Regisseur beteiligt sein.

 

 

Seitdem Brodo "getauft" wurde, erstaunt er mich. Er ist mir vertraut, aber manchmal weiß ich gar nicht, wer da spricht. Harald und Brodo sind sich sehr nah und trotzdem bin ich immer überrascht.

Am Anfang dachte ich, ich gehe in den Saal und bin Clown… Es waren nur Ideen außerhalb von mir und ich konnte mir keine Gedanken machen, wer er ist, wie er spricht, geht…

Brodo ist sehr spontan, das ist Harald nicht… Brodo macht dann einfach. Ihm ist egal, was die Anderen so denken. Manchmal sitzt er auch einfach nur in der Ecke, aber wenn er aktiv wird, muss man sich auf etwas gefasst machen. Eben weil er sich nicht fragt, was andere über ihn denken.

 

 

Die Figur des Clowns steht dafür, dass man etwas macht, was man eigentlich nicht sollte, nicht kann oder sich schlicht nicht zutraut. Es ist eine "Spieglung" von Sehnsucht und unerfüllten Wünschen. Es ist eine Einladung, diese zu realisieren.

 

 

Vom Äußeren sieht Brodo nicht nett aus… Er ist kein lieblicher Clown. Zu ihm gehören eine gewisse "andere" Musik, Stimmung, Körperhaltung… fast ein bisschen ärgerlich.

Und dennoch entsteht durch seine kindliche Naivität die Bereitschaft, auf seiner wie auch auf der Publikumsseite, die Barrieren abzubauen…

 


Wie wäre es denn, wenn Brodo einkaufen geht?

Als die Figur aus dem Saal trat, war mir klar, ich will niemandem begegnen. Niemand soll mich sehen. Ich fahre weit raus auf's Land. Was ich mir nicht vorstellen konnte, waren Alltagssituationen.

Beim Besuch bei meinem Sohn sagte er mir sogar: Wenn du den Clown machen möchtest, geh doch bitte ins nächste Dorf. lachen

 

 

Dann war die Aktion in der Galerie "Elsa Art", wo Brodo die Installation der Künstlerin Joanna Schulte bespielen sollte. Da war Brodo erstmal nur drin und hat aber sofort alle Fenster geöffnet und nach zehn Minuten war er auf der Straße…

 

 

Brodo war sofort auf der Straße. Es war ihm wichtig, in Interaktion mit den Menschen zu gehen.
Anscheinend ist es kein Problem für ihn, in Kontakt zu kommen.

 

 

Um aber zur Frage mit dem Einkaufen zurück zu kommen; Brodo ist ja auch nicht vergesslich oder so… aber, ob er dann das kauft, was er soll? Mhh… vielleicht macht er dann auch einfach einen panetone (ital. Kuchen) auf und isst ihn oder verteilt Kaffee im ganzen Laden. lachen

 

 

Ist Brodo selbstverliebt? Es gibt so viele Bilder von ihm und bei der FRAME.Schau hat er sogar Fotos von sich vor seinen eigenen Bildern gemacht.

Er ist verliebt in das Leben und in die Menschen. Er fragt sich das gar nicht, aber wenn ihr mich fragt, würde ich sagen: Auf jeden Fall ist er das. Er lebt ja nur durch das Publikum.

Er ist ständig auf der Suche nach dem Publikum. Im Saal konnte er es nicht mehr finden. Das hat erstmal nicht so funktioniert, wie er das wollte und deswegen ist er raus, raus und auf der Suche, nach dem, was man braucht und was man liebt.

 

 

Ist Brodo denn dann einsam, wenn er im Moment kein Publikum hat? Oder existiert er dann gar nicht?

Das ist schwierig zu beantworten. Die Sehnsucht nach Publikum ist da, aber Brodo lebt einfach im Jetzt! Harald hat damit zu kämpfen.

Kommt Brodo denn auch manchmal durch, wenn er es nicht soll?

Nicht so richtig… mhh aber das ist schon eine spannende Frage. Ich sag mal so: Entweder er oder ich. Aber es gibt Momente, wenn ich mich intensiv mit ihm beschäftige, in denen er "durchkommt" oder wo ich mich frage: Was würde Doppio Brodo machen? Im normalen Alltag passiert das nicht.

 

 

Was wäre die Welt für ein Ort, wenn wir alle so wären, wie Brodo?

Ich habe befürchtet, dass ihr mich das fragt. Denn ich stelle mir ganz grundsätzlich die Frage: Was ist Brodos Sinn? Was ist sein Warum? Warum ist er auf der Welt? Warum gibt es ihn? Wenn jeder Mensch einen bestimmten Sinn, eine Aufgabe, hat, welche wäre das für Brodo?

nachdenken

Vielleicht ist die Antwort aber doch ganz banal. Vor allem wäre es wohl eine Welt, die sehr viel freundlicher, zugewandter, hoffnungsvoller wäre, in der man das Leben mehr genießen könnte. In der man mehr im Hier und Jetzt ist.

Ja… das ist eine gute Frage…

Aber vielleicht ist dann die Antwort, dass wir uns das nicht leisten könnten und eben genau deswegen Brodo existieren muss.

Vielleicht spiegelt er die Hoffnung wider, seine ganz eigene Aufgabe zu finden. Sein Job ist es, durch die Art, wie er sich zurechtfindet, andere Menschen dazu einzuladen, sich auch zu finden. Und das ist kein Ziel, sondern eine Haltung, wie man im Leben steht; was wichtig ist, was unwichtig. Dazu gehört auch viel Glaube, denn Brodo glaubt wie ein Kind ganz fest daran, dass irgendwo diese bessere Welt ist, von der alle sprechen. Und dadurch gehen die Menschen mit ihm in Resonanz, denn diese Sehnsucht, auch wenn sie ganz individuell ist, steckt doch eigentlich in uns allen. Dieses Vorhaben ist natürlich viel größer als Brodo selbst und deswegen kann er das nicht alleine, nur gemeinsam mit den Menschen.

Man muss sich nur drauf einlassen…

 

 

Video: Dietlind Budde
Foto/Zeichnung: Rebecca Budde de Cancino
Foto/Video-Loop: Ulrike Meyer

 

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